Weiter geht es in unserer Serie "Fan vs. Experte" mit LIGABlatt-Kolumnist Knut Kircher und unserem "Fußballwelt"-Redakteur Niklas Saess! Thema diesmal: Der VAR!

Der Videobeweis an sich ist ein vieldiskutiertes und oftmals kritisch beäugtes Thema. Und auch nach rund einer Saison lässt sich noch immer kein finales Urteil über ihn fällen. Was aber auffällt und mit Sicherheit noch auf Jahre für Verwirrung sorgen wird, ist der nicht einheitliche Einsatz des Video Assistent Referee (VAR).

Eines ist schon jetzt deutlich geworden: Die Bundesliga als "Testkaninchen" hat gezeigt, dass im Umgang mit dem "VAR" in erster Linie Erfahrungswerte gesammelt werden müssen. Assistenten müssen intuitiv die Fahne unten lassen, wenn sie nicht felsenfest von einer Abseits-Entscheidung überzeugt sind. Auch Hauptschiedsrichter müssen Szenen teils weiterlaufen lassen, da nach einem Pfiff beispielsweise kein Tor mehr fallen darf  – wie das jüngste Beispiel der Begegnung von Schalke 04 und Eintracht Frankfurt im DFB-Pokal-Halbfinale zeigte.

Es läuft nicht alles rund was den "VAR" betrifft. Und doch ist Besserung in Sicht. Die Schiedsrichter selber, die Spieler und auch die Fans gewöhnen sich an das fairere Spiel – und nehmen auch störende Nebengeräusche inzwischen hin. Problematisch wird es aber, wenn der Video-Assistent nach und nach in England, Spanien und großen UEFA-Wettbewerben eingesetzt wird. Dort haben alle Beteiligten naturgemäß keine eigenen Erfahrungswerte, weshalb Frust absolut vorprogrammiert ist.

Doch bleiben wir aktuell: Bei der Weltmeisterschaft in Russland werden auch Schiedsrichter aus Usbekistan, Saudi-Arabien oder dem Iran erstmals mit der neuen Technik konfrontiert. Auch Spieler aus teils exotischen Nationen werden erste Erfahrungen sammeln (müssen). Auf der anderen Seite spielen gerade im deutschen Team etliche Akteure mit "VAR"-Erfahrung. Eine hochexplosive Mischung, die für die ein oder andere Kuriosität sorgen dürfte. Fredi Bobic sagte jüngst, dass "dies nicht mehr mein Fußball ist". Soweit wie der Frankfurter muss man nicht zwingend gehen, aber es scheint nicht allzu weit hergeholt, wenn man behauptet, dass dies erst der Anfang ist. Der Anfang eines faireren Spiels, das aber eine Entwicklung durchmacht, in der Vieles auf der Strecke bleibt. "Der Weg ist das Ziel", würde Konfuzius behaupten. In einigen Jahren könnte dies auch auf die Einführung des VAR zutreffen.

Was sagt Knut Kircher zum Video-Assistenten? 

Der Videobeweis wird schon bald die Butter auf der schwäbischen Butterbrezel sein, weil er einfach dazugehört – Geduld ist gefragt! Ja, viele schauen nach den jüngsten Ereignissen auf die Weltmeisterschaft 2018 nach Russland, reiben sich schon schadenfroh die Hände und glauben dort ein Desaster des "VAR" zu sehen, manch andere denken mit Schrecken daran, dass sich ein "VAR", durch eine falsche Entscheidung, die Eintrittskarte in ein Urlaubsland seiner Wahl verspielt, da man sich als Schiedsrichter bei solch einem Turnier wohl mit einer ganzen Nation anlegt.

Ich glaube nicht, dass dies eintreten wird, auch wenn wir Schiedsrichter erleben werden, die scheinbar noch keinerlei Erfahrung haben im Umgang mit dieser Technik.
Ich sage, weit gefehlt, denn die FIFA ist seit Monaten dran in einer Akribie, genau dies aus den negativen Erfahrungen des Confed Cups 2017 zu verhindern. Die nominierten Schiedsrichter-Teams der WM bereiten sich seit geraumer Zeit in Wochenlehrgängen und praktischen Anwendungen auf dem Platz mittels Fußballmannschaften, nicht vorhersehbaren Situationen in den Trainingslagern dieser Welt darauf vor, den "VAR" anzuwenden. Dazu scheut die FIFA keine Kosten und Mühen, organisiert Fußballmannschaften, lässt ganze Fußballplätze mit dieser Technik ausstatten und schleust die Schiedsrichter-Teams in praktischen Anwendungen durch. Immer auch dabei, der Rückblick auf die gerade entschiedene Situation, also sofort Feedback und Lernerfolgskontrolle.

Ich bin mir sicher, die Jungs werden vorbereitet sein, haben das ganze Rüstzeug mitbekommen, was sie benötigen, um zu bestehen. Letztendlich entscheidet aber, wie bei Spielern und Mannschaften auch die Tagesform, der besondere Moment, in dem die Entscheidung auf dem Platz und am Schirm gefragt ist und dann braucht man auch das Quäntchen Glück. Ich drück ihnen jedenfalls die Daumen! Wann der "VAR" dann bei der UEFA in ihren Wettbewerben kommen mag, bleibt abzuwarten. Freuen wir uns trotzdem auf tolle Spiele, tolle Tore, tolle Momente und auch auf das gemeinsame Fußballfest mit Freunden, denn das wird es immer bleiben!