Die vergangenen Jahre haben die Bundesliga zu einer Zweiklassen-Gesellschaft verkommen lassen. Diese zugegeben drastische These wird schon dadurch untermauert, dass seit dem Meistertitel des VfL Wolfsburg im Jahr 2009 keine Überraschungsmannschaft auch nur in Reichweite des wichtigsten deutschen Titels gekommen ist. Betrachtet man dann noch die jüngsten fünf Meisterschaften der Münchner Bayern in Folge, wird aus der Nummer ganz schnell eine Dreiklassengemeinschaft: Bayern über allen, Dortmund noch halbwegs in Blickweite und der Rest der Liga irgendwo unter "ferner spielten."

Doch warum schaffen es die teils höchst ambitionierten Teams hinter dem Spitzen-Duo nicht, eine nachhaltig positive Entwicklung hinzulegen? Wieso sind in Deutschland Fußballmärchen á la Leicester City aktuell undenkbar? Und ist die Entwicklung rund um RB Leipzig mehr Chance als Risiko für den deutschen Fußball?

Werksclubs auf der Suche nach Identität

Viel Geld wurde über die Jahre beim VfL Wolfsburg verbrannt. Und zumindest zeitweise schien man unter Klaus Allofs und Dieter Hecking an alte Erfolge anknüpfen zu können. Der Pokalsieg im Jahr 2015 war das Ergebnis von cleveren Transfers – natürlich unterstützt durch das nötige Kleingeld von VW. Doch mit dem Verkauf des Belgiers Kevin de Bruyne ging auch der Erfolg – und das obwohl sich namhafte Stars in Wolfsburg reihenweise die Klinke in die Hand gaben. Der VfL ist auf dem besten Wege wieder zur grauen Maus zu werden, was angesichts der Investitionen der Wölfe nahezu absurd erscheint.

In Leverkusen wünschen sie bisweilen die Tage zurück, an denen man sich für Vizemeisterschaften entschuldigen musste. Nach einer katastrophalen Vorsaison wollte man unter Heiko Herrlich in der neuen Spielzeit einen neuen Anlauf wagen – dieser scheint nach lediglich acht Spieltagen schon gescheitert. Das Erbe von Reiner Calmund scheint verbraucht – und Bayer verkommt mehr denn je zum Sprungbrett für Jungstars, die ihr sportliches Glück beim nächstbesten Angebot anderswo suchen.

Für Wolfsburg und auch Leverkusen gilt: Ohne internationales Geschäft sind die Clubs nicht sexy genug für fertige Spieler mit internationalem Format. Doch ohne eben diese ist eine Qualifikation für europäische Wettbewerbe eine Herkules-Aufgabe. Ein Teufelskreis, der sich vermutlich nur mit noch mehr Geld lösen ließe. Doch weder der krisengebeutelte Volkswagen-Konzern, noch die eigentlich finanzstarke Bayer AG scheinen bereit, die aus anderen Ligen zu Mondpreisen verkommenen Gehälter für Topstars zu stemmen.

„Meister der Herzen“ Schalke 04 – konstant in der Inkonstanz

Auch bei Schalke 04 wird aus den vorhandenen Möglichkeiten viel zu wenig gemacht. Nun kann man den aktuellen Sanierungskurs, der in erster Linie durch Spielerverkäufe wie den Sané-Transfer zu Manchester City im Jahr 2016 vollzogen wird, durchaus nachvollziehen. Doch könnte man die Zeit wunderbar nutzen, um endlich Konstanz in Management und Trainerteam zu bekommen. Doch stattdessen wird in munterer Regelmäßigkeit mindestens einmal pro Saison der Trainer ausgetauscht – die jeweiligen Abfindungszahlungen sind inzwischen fast schon fester Posten der Jahresbilanz.

Tristesse im Norden

Die norddeutschen Klubs aus Bremen und Hamburg standen sich noch in der Saison 2008/09 im Europa-League-Halbfinale gegenüber. Seitdem ist viel passiert – doch die Formkurven der alten Rivalen liefen quasi parallel gen Keller. Gerade in Hamburg ist angesichts der jährlich investierten Millionen von Investor Kühne jene Entwicklung eine Kuriosität, die europaweit ihresgleichen sucht. In Bremen wird weniger Geld in die Hände genommen. Und reflexartig fragt man sich: Warum eigentlich? Werder galt Mitte der 2000er als größter Bayern-Rivale, konnte in der Schaaf-Ära auch international von sich Reden machen. Wie kann es sein, dass binnen zehn Jahren aus einem Bayern-Verfolger ein Abstiegskandidat wird? Warum wurde nicht frühzeitig auf die sich anbahnende Kommerzialisierung im Fußball reagiert und finanzstarke Sponsoren angeworben? Wer im Norden Deutschlands Antworten sucht, wird sie nicht finden.

Führt Leipzig die Bayern zum nächsten Champions-League-Titel?

In Leipzig hingegen wird dieser Tage vieles richtig gemacht. Mit dem durch RedBull zur Verfügung gestellten Geld wird eine konsequente Strategie und Leitidee verfolgt – und diese fruchtete schon früh. Die Vizemeisterschaft der Vorsaison war vieles, aber sicher kein Zufall. Der Weg, der von Leipzig eingeschlagen wurde, hätte schon vor Jahren auch in Wolfsburg, Hamburg, Bremen oder auf Schalke funktioniert. Doch weigerte man sich sowohl bei Werks- als auch Traditionsvereinen, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

Als zweiseitige Medaille wird man die sächsische Entwicklung in München betrachten. Mit Sicherheit werden auf kurz oder lang die Meisterschaften wieder umkämpfter. Dies führt im Umkehrschluss aber auch dazu, dass die Bayern in der heißen Saisonphase im Frühjahr voll im Saft stehen müssen. Dies war in den vergangenen Jahren nicht mehr der Fall – und wurde dann mit teils hohen Champions-League-Klatschen "honoriert".

Um international konkurrenzfähig zu sein und speziell mit den spanischen Teams aus Madrid und Barcelona auf Augenhöhe zu agieren, braucht der FC Bayern einen national-fordernden Titelkampf. Dies gilt nebenbei als Erfolgsrezept der Spanier. Diese dürfen sich ab März weder national noch international gehen lassen, und treiben sich dadurch gegenseitig zu Höchstleistungen.