Fenerbahçe ging am Montag zum ersten Mal in dieser Saison als Verlierer vom Platz. Gegen Alanyaspor setzte es eine letzlich verdiente 1:3 Niederlage. Auch wenn es Gerüchte gibt, dass die Begegnung noch am grünen Tisch neu bewertet werden könnte, bleiben einige Erkenntnisse unabhängig vom Ergebnis bestehen. Eine Analyse von LIGABlatt-Redakteur Benjamin Bruns.

Fenerbahçe war unerwartet gut in die Saison gestartet und reiste mit sieben Punkten aus drei Spielen zum Überraschungsspitzenreiter Alanyaspor. Nun könnte die Partie wegen etwaiger Fehlentscheidungen vor dem 1:1 und 1:2 aus Gästesicht nochmal überprüft werden, das Spiel sollte den Gelb-Marineblauen aber unabhängig vom Resultat zu denken geben. Natürlich gehört es zur Wahrheit, dass die angesprochenen Tore kurz vor und kurz nach der Pause echte Wirkungstreffer waren; trotzdem bleibt die Tatsache bestehen, dass sämtliche Gegentore in erster Linie aus individuellen Fehlern resultierten. Beim 1:1 behinderten sich Innenverteidiger Zanka und Torwart Altay Bayındır gegenseitig – Papiss Demba Cissé musste nur noch einschieben. Beim Treffer nach der Pause befand sich Aushilfsinnenverteidiger Jaílson gedanklich noch in der Kabine und spielte einen katastrophalen Fehlpass im eigenen Sechzehner. Vor dem 1:3 vertändelte dann zu allem Überfluss noch der zuletzt – zurecht – hochgelobte Ozan Tufan der Ball tief in der eigenen Hälfte.

Defensive Probleme

Individuelle Fehler passieren. Gerade Altay Bayındır und Ozan Tufan boten in dieser Spielzeit bis zum Montag wirklich überzeugende Leistungen, aber zur Wahrheit gehört auch, dass die Defensive Fenerbahçes auch vor Alanyaspor das ein ums andere Mal nicht sattelfest wirkte. Zuletzt setzte Ersun Yanal auch verletzungsbedingt mit Zanka auf genau einen gelernten Verteidiger. Die restlichen Spieler der Viererkette (Tufan, Jaílson und Nabil Dirar) sind eigentlich ein Stück offensiver zuhause. Bis zum Montag war das gut gegangen, aber schon gegen Başakşehir hatte der Brasilianer den Treffer zum 0:1 verschuldet. Es ist relativ offensichtlich, dass er sich eine Reihe weiter vorne deutlich wohler fühlt. Da Serdar Aziz und Sadık Çiftpınar derzeit offenbar außen vor sind, bliebe die Frage, wann und ob Weltmeister Adil Rami eine Option wird.

Führungsspieler fehl(t)en

Auch auf anderer Ebene war allerdings das Verletzungspech überdeutlich. In den bisherigen Spielen war die Taktik auf Kapitän Emre Belözoğlu zugeschnitten. Fast jeder Angriff, jede Umstellung und jeder Tempowechsel lief über den unermüdlichen 39-Jährigen. Nun fehlte er zum ersten Mal seit der durchwachsenen Vorbereitung und diese Umstellung fiel gleich doppelt ins Gewicht. Zum einen gibt es rein fußballerisch derzeit keinen Spieler im Kader, der Emres Spielweise kopieren kann; zum anderen fehlt es offensichtlich (noch) an weiteren Spielern mit Führungsqualitäten. Durch den (richtigen und wichtigen) Umbruch, dem Spieler wie Volkan Demirel, Mehmet Topal und der letztjährige Abwehrchef Martin Škrtel zum Opfer fielen und durch die Verletzungen von Emre, Hasan Ali Kaldırım und Mauricio Isla gibt es derzeit keine Spieler, die das Heft in die Hand nehmen und die Mannschaft gerade in schwierigen Situation anführen. In dieser Hinsicht war das Spiel am Montag auch eine Art Reifeprüfung, die das Team nicht bestanden hat. Nach der guten Anfangsphase gingen spätestens nach dem Ausgleichstreffer die Köpfe runter. Emre hätte in einer solchen Situation sicherlich verbal dazwischen gehauen. In der komplett neu zusammengestellten Mannschaft gab es so niemanden, der seine Nebenleute mitriss. Kein Wunder: nur drei Spieler aus der ersten Elf gegen Alanyaspor standen auch in der letzten Saison in Kadıköy unter Vertrag. Der Rest muss den Verein oder teilweise sogar die Liga, das Land und die Sprache erst kennenlernen. Die neue Hierarchie hinter dem ununstrittenen Anführer Emre ist noch nicht etabliert.

Besserung in Sicht?

Auf lange Sicht könnten die beiden Neuzugänge Max Kruse und Luiz Gustavo Emre in doppelter Hinsicht entlasten oder notfalls ersetzen. Sie verfügen theoretisch sowohl über das Spielverständnis, als auch über die Führungsqualitäten und sind als Kapitäne ihres letzten Vereine Verantwortung gewohnt. Erste Ansätze in diese Richtung waren auch zu erkennen, aber alles in allem wird noch eine gewisse Eingewöhnungszeit notwendig sein. Am Samstag gibt es dafür die nächste Gelegenheit: Fenerbahçe trifft auf MKE Ankaragücü und kann vor heimischem Publikum beweisen, dass die letzte Niederlage nur ein Ausrutscher war. Ob mit regulären oder irregulären Toren.