Während gefühlt ganz Fußballdeutschland mit der Frage beschäftigt ist, ob die Bayern oder der BVB am Ende die Meisterschaft feiern dürfen, schickt sich RB Leipzig an, seinen ungefährdeten dritten Platz zu verteidigen. Eine Analyse von LIGABlatt-Redakteur Benjamin Bruns.

Im Schatten der beiden Schwergewichte aus München und dem Ruhrpott gefällt es – Stand jetzt – dem "etwas anderen Verein" aus Leipzig besonders gut. Jedes Transfergerücht über Sané und jede Kampfansage aus Dortmund sorgen nämlich dafür, dass die Leipziger ganz in Ruhe an ihrer Vision einer Topmannschaft feilen können. Darüber dass das Konzept Leipzig oder genauer Red Bull großen Spielraum für Kritik gibt, wurde an anderer Stelle schon viel geschrieben. Zum Start der neuen Saison haben dann auch bereits die Fans des ersten Gegners Union Berlin ihren Protest angekündigt. Auch darüber, dass man in Leipzig deutlich mehr Geld zur Verfügung hat, als die meisten anderen Vereine der Bundesliga muss man nicht reden. Darüber wie RB dieses Geld investiert dafür umso mehr.

Topspieler mit Luft nach oben

Der Kader ist nämlich gespickt mit absoluten Topspielern, die weniger mit ihren Namen, als vielmehr durch unbestreitbare Qualität überzeugen. Anders als in der letzten Saison, in der man mit Naby Keïta einen der Erfolgsgaranten ersetzen musste, blieb der Kader in diesem Jahr weitestgehend zusammen und konnte sogar mit spannenden Talenten aufgestockt werden. Vom FC Chelsea lieh man den Walisischen Nationalspieler Ampadu, dem man in London schon seit längerem die Nachfolge des frisch abgewanderten David Luiz zutraut. Für die Schaltzentrale kamen Allrounder Nkunku von PSG und der obligatorische Salzburg-Transfer Hannes Wolf und für die Offensive konnte im zweiten Anlauf endlich Ademola Lookman verpflichtet werden. Dazu stießen Linksverteidiger Luan Cândido aus dem Nachwuchs von Palmeiras und Hannovers Philipp Tschauner zum Team, die den Kader aber in erster Linie in der Breite verstärken sollen.

Das Trainertalent Deutschlands

Auch auf der Trainerbank setzt man auf die Jugend. Nachdem Ralf Rangnick für die letzte Saison übergangsmäßig die Geschicke auf dem Feld leitete, konnte bereits im Verlauf der Spielzeit Wunschtrainer Julian Nagelsmann verpflichtet werden. Der 32-Jährige gilt vermutlich als der junge Toptrainer in Deutschland und passt perfekt zu der Spielidee, die in Leipzig verfolgt wird.

Durchwachsene Vorbereitung

Alles gut also? Die Antwort kann erstmal nur Jein lauten. Der Kader wurde beeindruckend verstärkt, der Wunschtrainer ist da und die Presse konzentriert sich vornehmlich auf die Konkurrenz. Trotzdem ist auch in Leipzig nicht alles eitel Sonnenschein. Die Saisonvorbereitung lief nicht zufriedenstellend und begann und endete mit empfindlichen Niederlagen gegen Zürich (1:4) und Aston Villa (1:3 und 0:1). Die Gründe dafür waren vor allem viele Ausfälle, aber auch mit Nagelmanns bevorzugtem 3-5-2 fremdelte die Mannschaft auch im Pokal gegen Osnabrück noch. Es ist davon auszugehen, dass es sich hierbei um Startschwierigkeiten handelt, aber ein anderes Problem könnte RB auch im weiteren Saisonverlauf noch beschäftigen. Wie Marcel Sabitzer bereits anmerkte, fehlt es den Leipzigern mitunter an Erfahrung. Das Durchschnittsalter der Mannschaft liegt bei gerade mal 22,6 Jahren, wobei mit den Reservisten Tschauner und Ilsanker nur zwei Spieler 30 Jahre oder älter sind. In der Abwehrzentrale steht z.B. neben Kapitän Orban (26) und Neuzugang Ampadu (18) die Innenverteidigung der Französischen U21 mit Upamecano und Konaté (je 20). Auch auf den anderen Positionen sieht es nicht anders aus. Das muss am Ende kein Nachteil sein, bedeutet aber, dass insbesondere die Führungsspieler eine gewichtige Rolle spielen müssen.

Wechselwillige Stammspieler

Zwei dieser Spieler sorgen ebenfalls dafür, dass es auch in Leipzig nicht gänzlich ohne Störgeräusche läuft. Sportlich kann man Timo Werner und Emil Forsberg mitnichten als Wackelkandidaten bezeichnen. Ob sie aber bis zum Transferschluss Anfang September noch in der Red BullArena kicken, ist längst nicht sicher. Werner geht in sein letztes Vertragsjahr und wird insbesondere mit dem FCB in Verbindung gebracht. Emil Forsberg ließ dazu zum wiederholten Male über seinen Berater ausrichten, dass er Leipzig den Rücken kehren will. Ausgang offen, auch wenn man beide Spieler gerne halten würde.

Wiederholt sich die Vorsaison?

Zum ganz großen Wurf wird es also für Leipzig auch in der kommenden Saison nicht reichen. Platz 3 und damit die Champions League sind aber mehr als wahrscheinlich. Genau das dürfte auch das aktuelle Ziel für RB sein. Titel sind zwar selbstverständlich irgendwann eingeplant, aber bis dahin feilt man in Ruhe weiter an der eigenen Idee vom Topteam.

Foto: Stuart Franklin/Getty Images