Gegen den FC Porto hat Beşiktaş im Vodafone Park fast alles richtig gemacht und steht absolut leistungsgerecht im Achtelfinale der Champions League. Was aber macht das Spiel des türkischen Meisters so sehenswert und erfolgreich zugleich? – eine Analyse!

Beşiktaş spielt und beherrscht den zeitgemäßen Fußball. Die vergangenen zehn Champions-League-Spiele in den Spielzeiten 2016/17 und 2017/18, ausgenommen die Pleite in Kiew, zeigen uns Zuschauer eine bemerkenswert positive Lernkurve. Der türkische Meister versteht es nämlich, sein aggressives Spiel in der gegnerischen Hälfte, wenn auch manchmal nur phasenweise, an den Tag zu legen.

Überraschungsmomente erzwingen

Über die Flügel gelingt den Schwarz-Weißen mit Ricardo Quaresma und Ryan Babel wirkungsvolle Spielzüge. Auf die vielen scharfen und präzisen Hereingaben folgen meist Überraschungsmomente – oft ist es nicht Stoßstürmer Cenk Tosun, der wie aus dem Nichts einköpft, sondern der sehr frei agierende Anderson Talisca. Der großgewachsene Linksfuß kommt meist aus dem Hinterhalt geschossen und trifft den Gegnern ins Mark.

Pressing, Gegen-Pressing und Rückeroberung

Meister Beşiktaş zeigt uns mit Coach Şenol Güneş, wie eine spielerisch "modern" auftretende Mannschaft richtiges Pressing und Gegen-Pressing zum richtigen Zeitpunkt ausführt. Bei Ballverlusten liegt die Zeit für die Rückeroberung meist unter vier bis fünf Sekunden. Bestimmt der Gegner das Spiel, so verteilt sich Beşiktaş im Raum und lässt in der eigenen Hälfte kaum Züge in den Strafraum – die Mannschaft agiert A) entschlossen offensiv und B) sobald es brennt, defensiv kollektiv. Hier dürfen sich die Fans zunächst bei Atiba Hutchinson bedanken, dem kein zusätzlicher Meter Laufweg zu viel ist. Unterstützt wird der unermüdliche Mittelfeld-"Roboter" entweder von Oğuzhan Özyakup oder dem eigentlichen Ersatzmann Tolgay Arslan, der aber inzwischen von Beginn an zum Zug kommt.

Moderner Fußball ist gleich effektive Offensive und kollektive Defensive

Früher war ein Team natürlich "gut", wenn es eben wild losstürmte und möglichst viele Tore erzielte. Defensiv orientierte Mannschaften gelten dagegen heute noch als ideenlos und verderben in den Augen der Zuschauer das große Schauspiel. Heute zählen aber vielmehr eine effektive Offensive und die dazugehörige kollektive Defensive zu den essentiellen Komponenten der Spielmodernität.

Weitere Komponenten: kurze, schnelle Pässe und Standards als Türöffner

Bei Beşiktaş erfolgt wie bei weiteren anderen Top-Mannschaften der Spielaufbau häufig über den stabilsten Innenverteidiger – in diesem Fall über Pepe. Die Kugel kommt entweder schnell ins Zentrum oder es findet sich ein günstiger Abnehmer an der Linie. Von dieser Station aus positionieren sich immer mehr Spieler in der gegnerischen Hälfte und suchen oft nach zwei Situationen: Entweder gibt es einen Assist-König wie Quaresma, der bravourös in den Strafraum adressiert oder es folgt ein Passspiel um den Strafraum, bis sich eine Lücke zum durchstecken anbietet.

Außerdem gelten Standards als erwiesenes Rezept: Eckbälle und Freistöße gelten im modernen Fußball als erwiesene Türöffner gegen Verweigerer des offensiven Fußballs schlechthin. Tief und defensiv gut stehende Mannschaften können sie wahrlich kapitulieren lassen. Diese zusätzliche Qualität hat Beşiktaş auch zu bieten und kann beim Kreieren von Torchancen auf mehrere Optionen setzen.

Richtige Namen auf allen Positionen

Beşiktaş setzt also auf allen Positionen und den damit verbundenen Aufgaben die richtigen sowie die besten Spieler der Süper Lig ein. Keine andere türkische Mannschaft kann ansatzweise auf die Synergie aufbauen, die am Bosporus vorherrscht. Adriano, Quaresma, Talisca, Pepe, Atiba Hutchinson sind allesamt gut funktionierende Volltreffer-Zugänge, die zusammen mit Cenk Tosun, Tolgay Arslan und Co. eine große Gefahr ausstrahlen.