Türkische Legenden im Portrait: Tugay Kerimoğlu

Als Tugay Kerimoğlu am 24. Mai 2009 letztmals den altehrwürdigen Ewood Park als Spieler betrat, staunte selbst der erfahrene Mittelfeldmann nicht schlecht. Statt den für die Blackburn Rovers üblichen blau-weißen Vereinsfarben trug ein Großteil der "Rovers" in den verschiedenen Fanblöcken rot-weiß. Nach acht Jahren wurde Kerimoğlu gebührend verabschiedet – und die Fans honorierten seinen jahrelangen Einsatz mit dem Tragen der türkischen Nationalfarben. Bei der anschließenden Ehrenrunde, auf die er seine Tochter Melissa mitnahm, standen dem ansonsten so rauen Kerimoğlu die Tränen in den Augen. Es sind diese Augenblicke, die einen in Zeiten von Kommerzialisierung und Klub-Söldnertum an das Gute und Echte im Sport glauben lassen.

Als Kerimoğlu 2001 nach Blackburn kam, war er bereits 30 und hatte nach einer langen Karriere bei seinem Jugendverein Galatasaray Istanbul auch ein kurzes Gastspiel bei den Glasgow Rangers hinter sich. Der damalige Rovers-Coach Graeme Souness holte Kerimoğlu schließlich in den Nordwesten Englands – und die Erfolgsgeschichte nahm ihren Lauf. Souness kannte Kerimoğlu bereits aus seiner Zeit bei Galatasaray und war schon damals ein Befürworter des Türken. Ein Schachzug, der im Nachhinein als einer der besten Transfers des schottischen Verantwortlichen in die Annalen einging.

Bereits in Istanbul eine lebende Legende

Doch bevor Kerimoğlu in England für Aufsehen sorgte, spielte er sich bereits in die Herzen der Galatasaray-Fans. Sechs Meisterschaften, vier Pokalsiege und die Tatsache, dass er bereits mit 22 in der Saison 1992/93 zum Kapitän ernannt wurde, sorgten dafür, dass er noch heute eine absolute Klublegende ist. Mit 30 entschied er sich dann, auch außerhalb der Türkei nochmals Fuß fassen zu wollen. Was grundsätzlich als mutige und bemerkenswerte Entscheidung zu bewerten ist, konnte nach seinem Engagement in Glasgow fast schon als gescheitert bezeichnet werden. Zu groß die kulturelle Umstellung, zu groß die Konkurrenzsituation: Nach einem Jahr wäre eine Rückkehr in die Heimat nur die logische Konsequenz für Kerimoğlu gewesen. Doch er entschied anders, auch und vor allem weil Souness ihn für Blackburn begeistern konnte.

Ein Mann für die besonderen Momente

Angekommen im Ewood Park, sorgte Kerimoğlu, der nie als großer Torjäger Geschichte schrieb, immer wieder in unregelmäßigen Abständen durch Kunstschüsse für Verzückung unter den britischen Zuschauern. Sein erster Treffer, das zwischenzeitliche 5:1 beim 7:1-Sieg der Rovers über West Ham, ist auch heute noch ein absolutes Sahnehäubchen. In seiner zweiten Saison war Kerimoğlu bereits ein absoluter Eckpfeiler des Teams und einer der Garanten dafür, dass die Rovers durch den 6.Tabellenplatz ins internationale Geschäft einziehen. An seiner Seite und für ein Groß der Tore zuständig: Der ehemalige United-Sturm Dwight Yorke und Andy Cole. Es folgen Jahre, in denen sich das vergleichsweise kleine Blackburn in der Premier League hält und immer wieder für temporäre Furore sorgt. Nach einem 1:0-Sieg über Manchester United im Jahr 2006 gibt es für Kerimoğlu den Ritterschlag des großen Sir Alex Ferguson. Dieser äußert, dass der Türke, wäre er zehn Jahre jünger, ein Idealkandidat für das United-Mittelfeld wäre. Es sollte eines von vielen Komplimenten sein, die Kerimoğlu während seiner Karriere auf der Insel erhielt.

Die Karriere danach – das Warten auf den großen Knall

Acht Jahre ist sein Rücktritt bei den Rovers nun her – und noch immer wird er in einem Atemzug mit Klub-Legenden wie Alan Shearer genannt. Hierauf angesprochen sagte er gegenüber "thesefootballtimes.com", dass es eine große Ehre für ihn sei und die Rovers für immer einen Platz in seinem Herzen reserviert hätten. Die große Trainerkarriere indes blieb ihm bislang verwehrt, nach diversen Co-Trainer-Tätigkeiten bei Manchester City und Galatasaray heuerte er im November 2015 beim damaligen Zweitligisten Şanlıurfaspor an. Ein Engagement, das nicht sonderlich von Erfolg gekrönt war. Gerade einmal 0,91 Punkte pro Partie holte die Mannschaft unter seiner Regie. Aber was bislang nicht war – kann ja noch werden. Seine alte Liebe von der Insel ist aktuell drittklassig. In Blackburn sehnen sie sich nach den alten Zeiten. Vielleicht könnten diese irgendwann wieder in Angriff genommen werden – und vielleicht wird das Märchen von Tugay Kerimoğlu auf der Insel eines Tages fortgeschrieben.